Nackte Zahlen können ganz schön gnadenlos sein. In Form von Bilanzen kommen sie in der Regel rechthaberisch und kühl daher, lassen keinerlei Feinsinn fürs Abweichende erkennen, haben stets das letzte Wort. Kurzum: Zahlen haben das Zeug zum unbeliebten Klassenstreber – zum streng gescheitelten Pausenhofalleinesteher.
Beispiel gefällig? In der Tat scheint Streben nach Beliebtheit nicht zu den Grundtugenden des Statistischen Bundesamtes zu gehören. Denn diese zu Stein und Fenster gewordene Heimat aller bösen Zahlen drangsaliert das Land nun schon seit Jahrzehnten zuverlässig mit kilometerlangen Erkenntnissen zu Dingen, die momentan nicht passen, gelingen oder Sinn machen wollen – und zur Hauptklientel der Wiesbadener Behörde zählt leider auch das Studium. Genauer gesagt: die Studierenden.
Oder soll da etwa kein kleiner, mieser Faulheitsvorwurfs mitschwingen, wenn uns das Amt gewohnt minutiös vorrechnet, dass derzeit keine 40 Prozent der Hochschülerinnen und Hochschüler in Deutschland ihr Studium in der vorgegebenen Regelstudienzeit bewältigen? „Klassenziel verfehlt! Versagt!“, heißt dann schnell die kleinkarierte Interpretation des ordnungsliebenden Zahlenmenschen, während der Rest – zum Glück deutlich in der Überzahl und teils peinlich berührt – die Augen verdreht und denkt: „Lasst ihn reden!“
Schließen wir uns an dieser Stelle also einfach denjenigen an, die dazu tendieren, solch entlarvende Zahlen deutlich wohlwollender und womöglich gerechter zu interpretieren. Denn ist es nicht vielmehr Ausdruck studentischer Souveränität, dass über 60 Prozent der Hochschülerinnen und Hochschüler den rigiden Semestervorgaben des Bachelor- und Master-Systems den Vogel zeigen?
Wir bei Jobmensa finden jedenfalls: Das hat was – und liefern gleich noch 6 gute Gründe für eine hoffentlich anstehende Modifizierung der Regelstudienzeit dazu.
1. Selbst Bildungspolitiker*innen räumen inzwischen ein, dass die Regelstudienzeiten mancher Studiengänge an das reale Lernaufkommen der Fachbereiche nicht ausreichend angepasst sind. So können auch wir einfach nicht glauben, dass beispielsweise Verwaltungswissenschaftler*innen (91 % schließen hier in Regelstudienzeit ab) um Längen fleißiger und/oder intelligenter sind als BWLer*innen (43 %), Informatiker*innen (31 %) oder Romanist*innen (29 %).
2. Die Wirtschaft bemängelt zunehmend die fehlende Lebens- und Berufserfahrung junger Absolventinnen und Absolventen – gerade nach dem Bachelor. Was soll daher bitteschön falsch daran sein, das Bachelor-Studium zugunsten eines Nebenjobs mit Fachbezug oder aufgrund eines längeren Auslandsaufenthaltes (zum Spracherwerb) um ein bis zwei Semester zu überschreiten?
3. Das Stigma des „Bummelstudenten“ muss endlich raus aus den Köpfen der Gesellschaft, weil es die Realität verkennt. Individuelle Semesterzahlen von 20 und mehr kommen in der heutigen Zeit so gut wie nicht mehr vor. Den allermeisten Student*innen ist die drastisch gestiegene Konkurrenz am akademischen Arbeitsmarkt sehr wohl bewusst. Entsprechend engagiert wird studiert.
4. Steigende Zugangsbarrieren (Numerus clausus) und überlaufene Kurse erschweren termingerechtes Studieren enorm. Hier war es zunächst die Bildungspolitik, die auf den allseits gewollten Anstieg der Immatrikulationen in Deutschland nicht gut vorbereitet war. Ist es vor diesem Hintergrund gerecht, Bafög-Empfänger*innen beim überschreiten der Regelstudienzeit pauschal mit Kürzungen zu drohen? Wir sagen entschieden: Nein! Lasst ihnen bei Bedarf mehr Zeit!
5. Was kann falsch daran sein, jungen Menschen genügend Spielraum für Lebensfreude, Spaß und Hobbys zu gewähren? Seit Jahren schon steigt als Reaktion auf das Gefühl dauerhafter Überlastung bereits im Schul- und Studienalter die Zahl der psychischen Erkrankungen. Parallel dazu ist ein enormer Anstieg bei der Einnahme lern- und leistungsfördernder Substanzen zu verzeichnen. Soll das noch gesund sein?
6. Mit einem spannenden Job von Jobmensa schaffst du einen mentalen und finanziellen Ausgleich zu manchen Zumutungen des Studiums. Mehr noch: Gelingt es dir hierüber, den Fuß in die Tür deiner fachlichen Branche oder bereits favorisierter Unternehmen zu stellen, verliert die Einhaltung deiner Regelstudienzeit gewaltig an Relevanz. Denn: Praxis ist (fast) alles!